FRIDOLIN
QUINTER- AUGUSTIN
Unsere Erinnerungen an unseren unvergesslichen Fridi sollen genauso sein wie er war: Voller Dankbarkeit und Freude, angezuckert mit Humor und dazwischen einem Lacher. Denn Fridi hat uns immer wieder mit seiner Frohnatur ein Lachen in unsere Gesichter gezaubert. Und dieser Zauber soll auch Teil dieser Worte sein.
Fridi wurde am 1. April 1929 als 4. von 8 überlebenden Geschwistern in Trun Gravas geboren. Er war schon als kleines Kind eine Frohnatur.
Fridi unterstütze bereits als kleiner Bub den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb seiner Eltern. So verbrachten er zusammen mit seinem Bruder Lissy diverse Sommer ganz alleine und abgeschieden auf dem Maiensäss – si a cuolm – ob Trun. Dort hat er schon früh gelernt, was es beutet, auf sich selbst gestellt zu sein. Neben Käse und Butter zu machen, hat der junge Fridi auf dem Maiensäss die Passion fürs Kochen entdeckt. Und die Polenta mit viel Butter wurde und blieb bis am Schluss zusammen mit Maluns sein Lieblingsgericht.
Wie früher in den meisten Familien üblich, hatte der Vater ein gewichtiges Wort, wenn es um die Berufswahl der Kinder ging. Und so entschied sein Vater Gion Giachen anlässlich eines Festes in Trun, an dem er mit Fridi und dessen Lehrer zusammensass, dass Fridi das Lehrerseminar in Chur besuchen solle.
Mit 16 ging Fridi also nach Chur an die Kantonsschule und absolvierte dort das Lehrerseminar.
Mangels finanzieller Mitteln lagen Wochenendbesuche bei seiner Familie nicht drin. Solche gab es lediglich an Weihnachten und Ostern und im Sommer.
So verbrachte er – wie die meisten anderen Schüler aus den Tälern – die Freizeit mit Aktivitäten, die nichts kosteten: Sie sangen im Chor, spielten in der Musikgesellschaft und in jeder anderen freien Minute turnten sie zusammen. Fridolin war ein begeisterter Sportler und Musiker. So kam es, dass er seine erste Karriere schon in diesen jungen Jahren aufbaute: Er bekleidete in Personalunion die zwei höchsten Ämter, die ein Kantonsschüler je bekleiden kann: Fridi war Oberturner und gleichzeitig Kapellmeister der Kadettenmusik.
Nach der Erlangung des Lehrerpatents ging es im Sommer 1949 ins Ticino in die RS. Auf dem Monte Ceneri lernte er nicht nur die Artillerie-Kanonen zu bedienen, sondern auch das Autofahren.
Nach der RS führte der Weg Fridi an die Universität Fribourg, wo er im März 1954 das Sekundarlehrerpatent erwarb. Unmittelbar danach polierte er am Institut de Phonétique de l’Université de Paris während ca. drei Monaten sein Französisch auf, bevor er an den Sekundarschulen in Arosa, Paspels, Chur und Savognin sein Können zeigen durfte.
Seine zweite Karriere machte Fridi im Militär, bekleidete er am Schluss doch den Grad eines Majors. Dafür leistete er 1’224 Diensttage, also mehr als 3.3 Jahre! Er war ein überzeugter Offizier. So erzählte er noch kurz vor seinem Tod, dass wir 3 Offiziere und 1 Unteroffizier in der Familie haben. Und dass der Unteroffizier Offizier hätte werden können, aber nicht wollte.
Anlässlich eines WKs auf der Lenzerheide lernte er während des Ausgangs seine spätere Frau Letizia kennen, als er zusammen mit Kollegen nach Vazerol fuhr, um dort im Restaurant Post, das Tizis Eltern führten und wo seine Künftige zusammen mit ihrer Schwester Tilly arbeitete. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wahrscheinlich war es Fridis Ausstrahlung und Charme à la Elvis Presley, welchem unsere liebe Tizi nicht widerstehen konnte.
Zwar hatte Andreia Augustin, Fridis Schwiegervater in Spe, für seine drei schönen Töchter zwei No-Go-Regeln aufgestellt: Alle Schwiegersöhne sind willkommen. Ausser wenn sie Lehrer sind und ausser wenn sie Oberländer, sogenannte Sursilvaner, sind. Und Fridi erfüllte keine dieser Regeln. Und er war nicht alleine. Nein, am Schluss haben alle drei Augustin-Mädels einen Oberländer-Lehrer zum Mann genommen. Und liebe Albulataler alle drei sind damit gut gefahren.
Nachdem sich unser Tat davon erholt hatte, heirateten die beiden zwei Jahre später im 1962, kurz nach dem plötzlichen Tod von Fridis Vater, was für ihn ein einschneidendes Ereignis war.
Auf Wunsch von Letizia wurde das junge Ehepaar in Vazerol ansässig. Dies obschon Fridolin zu dieser Zeit sowohl von Chur als auch von Trun die Anfrage erhielt, als Lehrer dort tätig zu sein, die in mancherlei Hinsicht für ihn lukrativer schienen. Doch die Liebe siegte.
Das erste Jahr wohnten sie im Elternhaus von Letizia zusammen mit den Schwiegereltern. Wohl auch nicht immer einfach für ihn. Unsere liebe Mama war seinem Schatz dafür, dass sie bei ihren Eltern bleiben durfte, das ganze Leben dankbar.
Ihr erster Sohn Marco kam 1963 auf die Welt und kurz darauf zogen sie in ihr eigenes Haus in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein Jahr später folgte Diego. 1966 erblickte Franco das Licht der Welt. Die Familie war aber noch nicht komplett. Und so wurde ihr im Jahre 1970 Tochter Alexa geschenkt.
1976 starb seine geliebte Mutter Maria Ursula. Für Fridolin war dies ein schwerer Verlust.
Seine dritte Karriere sollte er in der Politik machen.
Obwohl er die Ämter nicht wirklich gesucht hat, sondern ihm diese richtiggehend zugetragen wurden, durfte er während 22 Jahre das Amt des Kreispräsidenten Belfort ausüben. Als solcher gehörte es zu seiner Aufgabe als Friedensrichter, unter zerstrittenen Parteien zu schlichten. So mussten wir Kinder uns in die Zimmer zurückziehen, währenddessen Vater in der Stube versöhnte. Dies gelang ihm öfters als nicht.
«Igls Quinters da Trun» haben eine langjährige Landamman Tradition: So haben sie in den letzten 70 Jahren 5 Landammänner gestellt: Nach Fridi trat sein Sohn Franco dieses schwere Amt an. Und der Surselva dienten Vater Gion Giachen und die beiden Brüder Matthias und unser lieber Tini.
Fridi bekleidete auch verschiedene andere öffentliche Ämter. Mitunter war er 16 Jahre lang Gemeindepräsident in Brienz/Brinzauls.
Was bei unserem Fridolin ganz speziell war: Er hat in seinem Leben die Gesellschaft und die Politik in allen drei Bünden des Freistaates der Drei Bünde geprägt.
Fridolin wurde am 1. April 1929 in Trun geboren, wo im Jahre 1424 der Graue Bund (La Ligia Grischa) gegründet wurde.
In Chur, früher dem Gotteshausbund zugehörig, bezog er seine Grundausbildung zum Lehrer, wo er später auch ein paar Jahre als Sekundarlehrer agierte. Fridi liebte Chur. Darum wünschte er sich auch, hier bestattet zu werden.
Fridi wirkte aber auch an anderem Ort im Gotteshausbund, nämlich Paspels, seiner ersten fixen Lehrerstelle. Sein soziales Engagement ausserhalb der Schule begann er dort in der Musikgesellschaft Thusis, welche er dirigierte. Auch das Domleschg gefiel Fridi sehr. So meinte er noch kurz vor seinem Tod, als er nach der Operation für ein paar Wochen im Altersheim Cazis weilte, dass das Domleschg ihm immer noch sehr gefalle.
Von Paspels zog es ihn für ca. ein Jahr in die Höhe nach Arosa, früher Zehngerichtenbund.
Vielleicht auch wegen des eher langen Winters liess er sich in der Folge dann an die Stadtschule Chur berufen, obwohl er bei der Bewerbung davon ausging, dass er als Katholik keine guten Aussichten habe, gewählt zu werden. Dort wirkte er ein paar Jahre, bevor Fridi schlussendlich 1962 direkt an den Geburtsort des heutigen Graubündens zügelte, nach Vazerol nämlich, wo 1471 in unmittelbarer Nähe seines Bienenstandes die drei Bünde Rhäziens sich vereinigten.
Fridi war 32 Jahre Sekundarlehrer in Tiefencastel und hat in dieser Zeit wahrscheinlich über 1000 junge Persönlichkeiten ausgebildet und gefördert.
Neben seinem Beruf, dem Militär und der Politik war Vater in seiner sogenannten vierten Karriere Gründer und Entwickler von verschiedenen Projekten. Für die Musik, den Sport, die Senioren und die Betagten durfte er Initiant und Realisierer verschiedener erfolgreicher Vorhaben sein. Fridi hat mit grossem Vorbild gezeigt, was Herzblut bedeutet und wie solches erfolgreich für die Gesellschaft eingesetzt werden kann. Wir alle haben das Herzblut von ihm erleben und übernehmen dürfen.
Fridi förderte und forderte die Jugend. Er hat auch uns Kinder gefördert und uns immer ermutigt zu lernen und zu studieren. Aber nur ermutigt und motiviert. Nie gezwungen.
Fridi hätte diese Worte hier viel kürzer gehalten bzw. sie kaum ausgesprochen. So bescheiden war er. Wir wissen gut, was er dazu sagen würde, wenn er diese Zeilen lesen könnte! Und trotzdem verdient er es, dass wir etwas weiter ins Detail gehen.
Fridi war selbstlos und hat sein ganzes Leben für die anderen aufgeopfert. Er hätte das letzte Hemd für die Familie hergegeben. Uns vier Kindern hat er das Studieren ermöglicht, obwohl dies finanziell einer Herkulesaufgabe gleichkam.
Fridolin verfügte über einen grossen Humor und Schalk und wenn die Situation es erforderte, über eine Ernsthaftigkeit. Er verfügte über einen gesunden Menschenverstand und Verhältnismässigkeit. Konnte Ungerades auch mal ungerade stehen lassen.
Fridi hatte Charakter und war geradlinig. Er kam manchmal als streng rüber – aber er war zugleich gütig, sozial, fair und gerecht.
Fridi war ein sehr interessierter Mensch. Und das bis ins hohe Alter. So nahm er daheim immer seinen Atlas hervor, um nachzuschauen, wo wir uns gerade geschäftlich oder ferienhalber aufhielten.
Fridi war ein gläubiger Mensch, ein fleissiger und regelmässiger Kirchengänger mit Tizi, 3 Mal pro Jahr auf Ziteil und mit Franco einmal in Lourdes.
Fridi liebte Holz, schnitzte es in allen Varianten, in der Schule und Privat: Uhren, Schalen, Lampen, Truhen, Madonnenbild. Auch uns hat er diese Künste beigebracht. Auch deshalb findet Fridi seine letzte Ruhe in einer schönen Holz-Urne aus Kirschen-Holz.
Fridi war ein geerdeter Naturmensch. Er lud seine Batterien in der Natur auf, im Garten, bei seinen Bienen, im Wald beim Holzen und Pilzen oder an der Albula und Julia beim Fischen. Fridis Lebensmotto war «ora et labora».
Bis zu seinem stillen Herzinfarkt anfangs 2000 war Fridi top fit und gesund. Der stille Herzinfarkt war ein grosser Einschnitt in Fridolins Leben von dem er sich nie mehr so richtig erholen konnte. Er musste lernen kürzer zu treten. Er hat aber diese Herausforderungen beherzt angenommen und bis zum Schluss tapfer und geduldig gemeistert.
Die Monate seit der Hüftoperation im April 2019 waren für Fridolin nicht einfach. Autonomie und Selbstbestimmung, Werte, die für Fridolin zeitlebens wichtig waren, konnten zusehends nicht mehr umgesetzt werden. Er war zusehends auf Hilfe angewiesen und hatte Schmerzen. All das hat er mit einer grossen Tapferkeit und Dankbarkeit den Helfenden gegenüber gemeistert und mit sehr viel Humor.
Tizi, aber auch wir Kinder wollten ihm ermöglichen, zuhause zu sein, in seinen eigenen vier Wänden. Weil alle tatkräftig mitgeholfen haben, konnten wir diesen Wunsch bis an das Ende erfüllen. Das war taff – insbesondere für unsere liebe Mama.
Aber wir sind unendlich dankbar, dass wir es gemeinsam geschafft haben, und dass Fridi bis zum Schluss in seinem geliebten „Zuhause“ in vertrauter Umgebung mit seinen Lieben verbringen durfte.
In den letzten Wochen vor seinem Tod hat Fridolin viel von seinen verstorbenen lieben Eltern, und seinen verstorbenen lieben Geschwistern dem Lissi, dem Gusti und dem Mathias und der Anna gesprochen.
Fridi hat wahrscheinlich nicht zufällig entschieden, seinen letzten irdischen Tag auf den 11. November – auf Sogn Martegn – zu legen. Denn er war und ist sehr mit seinen Geschwistern und mit seiner Familie verbunden und Fridi hatte seine letzte legendäre Rede anlässlich der 80-jährigen Geburtstagsfeier seines geliebten Bruders Martin am geschichtsträchtigen Ort im Kloster Disentis/Mustér gehalten. Sie war derart legendär und never ending. Wir müssen heute noch darüber lachen.
Ja und so schliesst sich der Kreis und der liebe Herrgott hat ihn am 11. November am Abend um 18.25 Uhr zu sich nach Hause geholt.
Wir sind überzeugt, dass du nun vereint mit deinen Lieben bist. Und wir freuen uns für dich, dass du nun wieder viel mehr weisst, als wir alle. Du weisst es nun genau, worauf wir uns freuen dürfen.
Nach einem reich erfüllten Leben mit viel Liebe und Fürsorge für die Familie und grossem Einsatz für Beruf und Ämter wurdest du von deinen Altersbeschwerden erlöst.
Als Gott sah, dass der Weg zu lang, der Hügel zu steil, das Atmen zu schwer wurde, legte er seinen Arm um dich und sprach: Komm heim Fridi!
Du hast uns eine grosse Lücke hinterlassen. Du bist nicht mehr dort, wo du warst. Aber du bist überall, wo wir sind. Wir sind unendlich traurig, wir vermissen dich sehr. Doch wir sind auch sehr dankbar, dass du ein wunderschönes, erfülltes und langes Leben hattest und 90 Jahre alt werden durftest.
Lieber Papi, wir lieben dich und werden dich immer in liebevoller Erinnerung behalten.
Auf Wiedersehen.
Sin seveser.